Der Zustand des linken politischen Spektrums ist seit Anbeginn dieses Blogs Gegenstand vieler Texte. Die Abkehr von einstmals klassenkämpferischen Positionen, die heute nötiger denn je wären, hin zu einer reinen Identitäts- und Minderheitenpolitik ohne Anspruch auf Änderung der gesellschaftlichen Verhältnisse, wurde oft genug beschrieben und kritisiert. Umso besser, wenn jetzt mit Sahra Wagenknecht eine prominente Kritikerin dieser Entwicklung selbige in Buchform für ein breites Publikum darlegt und, man kann mit Sicherheit davon ausgehen, diese pointiert „auseinandernimmt“.
Die ersten Reaktionen von linksliberalen Identitären auf veröffentlichte Textauszüge zeigen, dass Wagenknecht genau jenen Widerspruch aufzeigt, den die Führungsebene der politischen Linken nicht gern öffentlich verhandelt wissen möchte. Denn schließlich ist es die „normal-orientierte“ linke Basis, die mit ihren Beiträgen die Funktionäre bezahlt und sind es die meist im Unklaren gelassenen Wähler der Partei „Die Linke“, die Typen wie Kipping, Hennig-Wellsow und König-Preuß an die Mandatströge führen.
Viel folgenreicher aber als dieser innerlinke Widerspruch, der ja „nur“ die linke Basis betrifft, ist aber das Ausbleiben eines gesellschaftlichen Gegendrucks gegen das kapitalistische Regime, welches aktuell die Coronakrise benutzt, um autoritär modifiziert seinen Fortbestand zu sichern („Great Reset“). Dieser gesellschaftliche Gegendruck würde im Normalfall von einer antikapitalistischen und volksnahen Bewegung angeführt und organisiert werden. Da die linksliberalen Protagonisten aber diesen revolutionären Anspruch gegen identitätspolitische Zugeständnisse, die ihnen im Zuge des „woke capitalism“ von Wirtschaft und herrschender Politik billig zugespielt wurden, eingetauscht und sich selbst damit korrumpiert haben, bleibt der aktuellen Bewegung gegen die aktuelle Regimepolitik wenig bis gar kein ideologischer Überbau. Die lapidare Forderung nach Wiederherstellung von sogenannten Bürgerrechten ist leider der traurige Ausdruck dessen.
Zwar formiert sich unter der Bezeichnung „Freie Linke“ seit einigen Wochen (wir berichteten) eine ernstzunehmende neue Bewegung von unten, die genau dieses Vakuum zu füllen versucht, doch ist deren „Mannstärke“ und organisatorische Struktur noch bei weitem unter jenen der „Mainstream-Linken“. Aber immerhin – ein Anfang ist gemacht.
Wie sich die ehemalige Fraktionsvorsitzende im Bundestag und Gattin des ebenso als enfant terrible behandelten Oskar Lafontaine eine solidarische Politik der Zukunft vorstellt, wird zur Lesung ebenso zur Sprache kommen, wie eine Einordnung der deutschen linken Verhältnisse in den europäischen Kontext.
Ort: Raum Jena, Datum: Sonnabend, 8. Mai, Beginn: 18 Uhr
Teilnehmerzahl begrenzt, Anmeldung nur per E-Mail:
Eine einleitende Leseprobe ist u.a. hier zu finden:
Interessante inhaltliche Auseinandersetzung:
https://www.nachdenkseiten.de/?p=71563
Bildnachweis: http://www.nachdenkseiten.de
Ein Kommentar zu „Einladung zur Lesung mit anschließender Diskussion: „Sahra Wagenknecht-Die Selbstgerechten““