Der Knüppel in deinem Gesicht

Wenn der Knüppel der Systemschergen mal wieder locker sitzt und dir eine Platzwunde beschert und du dich fragst, welche Gründe das haben könnte… :

Polizeioberinspektor Frerksen steht auf. Es ist kurz nach 6 Uhr. Die Frau hat ihm schon Rasierwasser bereit gesetzt. Der Zivilanzug vom Sonntag ist weggehängt, die Uniform liegt über dem Stuhl.

Er ist grämlich, mürrisch. Geärgert sieht er in den Sonnenschein. Als die Kinder nebenan lärmen, stößt er einen Fluch aus und wirft den Schuh gegen die Tür. Dann fängt er langsam mit dem Anziehen an. Die Frau kommt.

„Warum hast du mir die Uniform rausgehängt? Ich gehe in Zivil.“

„Aber….“

„Zum Donnerwetter, ich will Zivil tragen!“

Es wird ihm hingehängt. Frerksen fängt an sich zu rasieren. Dazwischen murrt er: „Am liebsten melde ich mich krank.“

„Krank! Bist du krank?“

„Wieso soll ich krank sein? Solch ein Unsinn! Krank melden möchte ich mich.“

„Was hast du heute? Hast du dich geärgert, Fritz?“

Frerksen wirft den Rasierapparat hin, schreit: „Frag mich nicht! Ich sage dir, frag mich nicht! Geh raus in deine Küche!“

Frau Frerksen geht lautlos ab. Die Vögel lärmen in den Bäumen und nun kommt auch noch so ein Aas von Motorradfahrer mit knatterndem Auspuff vorbei. „Schade, die Nummer ist nicht zu erkennen. Dem hätte ich es gerne besorgt. Wäre ich doch schon auf Urlaub!“

Am Kaffeetisch wird kein Wort gesprochen. Bub und Mädel, durch die Mutter gewarnt, sitzen lautlos da und sehen nicht von ihren Tellern auf. Die Frau legt dem Mann Semmel auf Semmel gestrichen vor. Er isst gedankenlos, dem Blick zum Fenster hinaus, eine senkrechte Falte auf der Stirn. Die schüchterne Stimme der Frau:

„Möchtest du noch Kaffee?“

„Wie? Ja, natürlich. Übrigens kannst du mir doch die Uniform hinhängen.“

Die Frau will es sofort tun.

„Nein. Das hat Zeit. Nachher.“ Pause. „Übrigens, heute geht es schief.“

„Schief?“

„Ja, schief! Heute setze ich mich zwischen zwei Stühle.“

„Fritz… sag mir doch…“

„Der Bürgermeister will Hü und der Präsident will Hott. Wie ich´s mache, mach ich´s falsch.“

„Wo wir doch dem Bürgermeister alles verdanken?“

„Himmelherrgott, dieser verfluchte Weiberklatsch! Diese elende Sentimentalität! Was hat das damit zu tun? Ja, bitte, bitte, nun noch Tränen. Statt das man eine Hilfe hat…“

Und plötzlich: „Kinder, in die Schule, macht, das ihr fortkommt!“

Als sie allein sind: „Verzeih mir doch, Anna, verzeih! Meine Nerven, du weißt. Und heute, wenn die Bauern kommen….und ich soll womöglich mit dem Säbel oder der Pistole….die haben mich doch so gedrängt von der Regierung. Ich habe davon geträumt…

Textauszug aus: Bauern, Bonzen und Bomben von Hans Fallada.

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