Der Populismus zwischen Irrweg und Ausweg

Ist der Populismus gut oder schlecht, kann es erfolgreich enden, wenn man auf den Zug des Populismus aufspringt, oder ist er ein Irrweg, der in die politische Sackgasse führt?

Die Überschrift „Der Populismus zwischen Irrweg und Ausweg“ deutet es bereits an. Der Populismus bewegt sich zwischen Irrweg und Ausweg und innerhalb dieser Spannbreite klafft ein Raum, ein politischer Spielraum der kollektive Handlungsmöglichkeiten offenlässt, die über den Populismus hinausgehen. Es kommt hier darauf an, wie man sich auf diesem Spielfeld bewegt, ob man nur ein Mitspieler ist, der auf dem Feld weiter verharrt, oder ein politischer Akteur, der den Ball rausschießt und auf ein neues, größeres Spielfeld wechselt.

Wir können feststellen, dass wir spätestens 2015 in das Zeitalter des Populismus eingetreten sind. Seitdem beherrschen immer wieder die spontan aufkeimenden Proteste und Gegenproteste das Mediengeschehen. All das ist ein guter Indikator dafür, dass wir in einer krisengeschüttelten Gesellschaft der Unzufriedenen leben. Die Unzufriedenheit wächst weiter an, die politische Hegemonie der Herrschenden marginalisiert sich. Mit Antonio Gramsci gesprochen bedeutet das, dass die Herrschenden immer weniger führen, sondern tendenziell fühlbarer herrschen, dass der Konsens schwindet und der Zwang überwiegt. Nach Gramsci definiert sich Hegemonie nämlich durch ein ausgewogenes Verhältnis von Zwang und Konsens. Überwiegt der Zwang, kann von einer hegemonialen Krise gesprochen werden, die gegenhegemoniale Kräfte freisetzt, die an die Stelle des Alten treten könnten. Gramsci definiert eine hegemoniale Krise als einen Zustand, in dem das Alte abstirbt, aber das Neue noch nicht zur Welt kommen kann. Möglicherweise befinden wir uns in dieser Phase des Übergangs, in der alles aber auch nichts möglich ist.

Eine klare Definition des Populismus erscheint nicht möglich und sinnvoll, in Anbetracht der verschiedenen Proteste und Akteure und der unterschiedlichen Themenschwerpunkte. Man sollte gar nicht von einem Populismus, sondern von Populismen sprechen. Doch bei aller Verschiedenartigkeit können auch einige Gemeinsamkeiten festgestellt werden. Besonders auffällig ist die Artikulation der Populisten, die sich in einem schwarz/weiß denken bewegt und einfache Lösungen anbietet. Daraus resultiert eine fehlende ganzheitliche Betrachtung und eine positive Gegenerzählung, eine Alternative, ein anderer Gesellschaftsentwurf. Der Politiktheoretiker Michael Freeden spricht hier folgerichtig von einer dünnen Ideologie. Ein großes Problem besteht auch darin, dass zu sehr das Objektiv auf ein Teilproblem fokussiert und keine Verbindung zu anderen Teilproblemen hergestellt wird. Das artet letztlich in Sektiererei und Spalterei aus. Wird das Teilproblem tatsächlich gelöst, ebbt die Protestwelle ab. Besteht das Teilproblem auch nach vielen Monaten noch und das Regime zeigt auch kein Entgegenkommen, ebbt die Protestwelle auch ab, da hier auch eine breite Basis fehlt und andere Teile des Volkes mit diesem Teilproblem wenig oder gar nicht in Berührung stehen. Zumal ein Großteil der Protestierenden immer noch ihre Forderungen an die jeweiligen Regierungen richten.

Ich möchte nicht missverstanden werden. Natürlich ist es erstmal grundsätzlich gut und richtig, wenn sich Protest gegen ein konkretes Ereignis formiert. Und die Erfahrungen die dort gesammelt, die Kontakte die geknüpft werden, sind sicherlich prägend und förderlich. Aber es ist unabdingbar, dass die derzeitige Artikulation, die gegenwärtige Kritik der Zustände auf das Niveau einer Systemkritik gehoben wird. Hier wirken gewisse Populisten kontraproduktiv, in dem sie das schwarz/weiß denken weiter fördern und vertiefen, wenn sie mit ihren Dauerparolen die Menschen weiter aufwiegeln und die Zusammenhänge vernebeln. Kann diese Ebene nicht überwunden werden, begibt sich der Populismus in den Irrweg, in die politische Sackgasse.

Wir folgern daraus: Populismus mit Aussicht auf Erfolg muss sich als Gegenhegemoniales Integrationsprojekt verstehen und inszenieren. Die Kritik an einzelnen Missständen muss mit den anderen Problemen, die so oder so miteinander verwoben sind, verknüpft werden. Die Kritik muss auf eine Systemkritik angehoben werden, was dann den letzten Kritikpunkt von alleine löst, nämlich den Appel und die Forderungen an das herrschende Regime auszurichten.

Wird dies alles nicht beachtet, reitet man nur auf den Protestwellen, die kommen und gehen, wie Ebbe und Flut.

Im zweiten und letzten Teil meines Vortrages möchte ich populistische Theorien von links und rechts behandeln und gegenüberstellen. Von rechter Seite steht der französische intellektuelle Alain de Benoist Pate und von linker Seite werden die belgische Politikwissenschaftlerin Chantal Mouffe und ihr bereits verstorbener Mann, der politische Theoretiker und Argentinier Ernesto Laclau herangezogen.

Chantal Mouffe und Ernesto Laclau können als theoretische Vorkämpfer und Stifter eines neuen linken Populismus bezeichnet werden. Besonders auffallend ist deren Abkehr von orthodox marxistischen Auffassungen und interessanterweise eine grundlegende Kritik gegen die tonangebende Linke, wie wir sie kennen. Wie üblich wird der Populismus vereinfacht bildlich mit der Konfrontation von Volk gegen Elite dargestellt. Es überrascht nicht, dass beide einen egalitären Volksbegriff pflegen. Das heißt zum Volk kann jeder dazugehören, der sich in dem Kampf gegen die Elite einbringt. Die schon angesprochene Forderung, die Knüpfung einer Äquivalenzkette, umschließt somit zbsp. auch die Forderungen der Eingewanderten, die mit den Forderungen der Arbeiter verbunden werden sollen. Ein soziales Ideal steht hier im Mittelpunkt, welches weitreichende Verbindungen knüpfen soll, um einen kollektiven Willen zu erzeugen. Auf der Staats und Herrschaftsebene wird dieses Ideal als eine radikale und pluralistische Demokratie beschrieben, der eine neue sozialistische Dimension innewohnt. Eine Forderung und auch eine Kritik an die Linke lautet, dass diese endlich die emotionale Sphäre betreten und im Sinne von Carl Schmitt, die Freund-Feind Scheidung nicht leugnen soll. Ich zitiere Chantal Mouffe: „Mobilisierung erfordert Politisierung, aber Politisierung kann es nicht ohne konfliktvolle Darstellung der Welt mit gegnerischen Lagern geben, mit denen sie sich identifizieren können. Wichtig ist, dass Konflikte nicht die Form einen Antagonismus annehmen, also den Kampf zwischen Feinden, sondern die eines Agonismus, einer Auseinandersetzung zwischen Kontrahenten.“(1.) Weiterhin spricht sie von einem populistischen Moment, in dem eine hegemoniale Krise des Neoliberalismus offen zum Vorschein kommt. Diese Neoliberale Formation wird verstärkt von linken und rechten populistischen Bewegungen in Frage gestellt und bekämpft. Die zentrale Achse der Auseinandersetzungen wird zwischen diesen beiden Polen verlaufen. Die Mobilisierung gegen den rechten Populismus soll mit den Vorstellungen der Gleichheit und der sozialen Gerechtigkeit erfolgen um einen vermeintlichen fremdenfeindlichen Populismus zu bekämpfen.

Kommen wir zu dem Vordenker der Neuen Rechten, Alain de Benoist. Der entscheidende Gegensatz zu den beiden Linken Denkern besteht, wie zu erwarten in dem Volksbegriff. Benoist geht fest davon aus, dass eine direkte Demokratie nur innerhalb eines relativ homogenen Volkes möglich ist. Populismus im engeren Sinne bedeutet für ihn eine volksnahe Politik zu artikulieren und zu gestalten. Dieser Populismus entsteht, wenn verschiedene soziale Schichten sich als Opfer    kultureller und sozialer Unsicherheit betrachten. Die Links/Rechts Scheidung ist auch bei ihm Gegenstand der Betrachtungen. Während Chantal Mouffe den populistischen Moment daran festmacht, dass eine neoliberale Hegemonie sich im Abgang befindet und von links und rechts sich Gegenbewegungen bilden, sieht Benoist die Links Rechts Scheidung sich verflüchtigen. Die Spaltung zwischen Links und Rechts ist mit der Moderne entstanden und sei nun dabei, mit ihr zu verschwinden. Das beste Beispiel in diesem Zusammenhang könnten die Gelbwesten in Frankreich darstellen.

Auch Benoist ist der Meinung, dass wir uns in einer Übergangsphase befinden, in der die Karten gänzlich neu gemischt werden. In einem Interview mit Benedikt Kaiser in der aktuellen Sezession Nr.96 führt er einige Gedanken dazu aus, die wir hier kurz aufgreifen.

Die Ausgangslage für den aufkeimenden Nährboden des Populismus sieht er unter anderem in der weltweiten Kapitalisierung, die dazu führte, dass der Mittelstand, der im Zeitalter des Fordismus gefördert wurde um den Konsum zu steigern, nun marginalisiert und zu verschwinden droht. Mit Gramsci gesprochen bildet sich hier ein neuer historischer Block heraus. All das kann nicht folgenlos für das herrschende Regime sein. Der Vertrauensverlust ist enorm und dieser führt dazu, dass die alten Regierungsparteien und ihre politische Landschaft sukzessive verschwinden. Nach Benoist haben sich die alten politischen Formen, wie der Parteiengeist des 20. Jahrhunderts erschöpft und daraus formen sich neue Bewegungen, Strömungen und Vereine.

Benoist betont immer wieder ausdrücklich, die Wichtigkeit der Schaffung von Freiräumen, die sich der Globalisierung und dem Regime entziehen. Dies sei nur auf lokaler und regionaler Ebene möglich. Ich zitiere Benoist: „Angesichts der Unmöglichkeit, einen globalen Wandel herbeizuführen, muss man damit beginnen, Räume der Freiheit und des Miteinanders zu schaffen, die dem Zugriff der Machthaber weitestmöglich entzogen sind.“(2.)

Ich zitiere erneut Benoist und kommen damit zum Ende: „Die Stunde des Populismus ist gekommen, er formiere sich als Bewegung neuen Typs, als Revolte der Gemeinschaftsbefürworter gegen die liberale Hegemonie und ihrer individualistischen Paradigmen, als Revolte der Globalisierungskritiker ob links oder rechts, gegen die Globalisten jeder Couleur.“ (3.)

  1. Chantal Mouffe: Für einen linken Populismus. (Edition Suhrkamp)
  2. Alain de Benoist: Am Rande des Abgrunds. Eine Kritik der Herrschaft des Geldes (Edition JF)
  3. Die Stunde des Populismus: Das Volk, die Elite und die Krise der Repräsentation. (Institut für Staatspolitik. Wissenschaftliche Reihe-Heft 32)

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